Die Toten Städte – Siedlungen im nordyrischen Kalksteinmassiv

Die Toten Städte – Siedlungen im nordyrischen Kalksteinmassiv

Qirkbize – Qalb Lhoze – Das Simeonskloster

Die Bezeichnung „Tote Städte“ bezieht sich auf eine Reihe von kleineren Siedlungen im nordsyrischen Kalksteinmassiv, die in spätrömischer und frühbyzantinischer Zeit von einer griechisch sprechenden Bevölkerungsgruppe gegründet worden waren. Charakteristisch für die Bauweise der Häuser sind die Verwendung des regionalen Kalksteins und eine Quadertechnik ohne Mörtel. Die Region war durch den Anbau von Oliven und Wein wohlhabend geworden. Infolge der islamischen Eroberungen brach das Handelssystem, das der Region Wohlstand gebracht hatte, zusammen und nach und nach wurden die Siedlungen verlassen. Da weder kriegerische Konflikte noch Naturkatastrophen die Siedlungen zerstört haben, finden sich hier in dieser Gegend insgesamt ca. 700 äusserst gut erhaltene Ruinen von Wohnhäusern und Kirchen.

Die Bewohner dieser Siedlungen waren früh christianisiert worden. Bevor sie Kirchen errichteten,  versammelten sich die Gemeindemitglieder  für ihre Andachten zunächst in Privathäusern. Der Hausherr stellte sein Haus für den Gottesdienst zur Verfügung und liess es in eine Kirche umwandeln, indem er im zentralen Raum des Hauses ein sogenanntes Bema – ein erhöhter, halbrunder Raumteil für Altar und Priesterschaft  – einbauen liess. Qirkbize ist ein typisches Beispiel für diese frühe Sakralarchitektur in Nordsyrien. 

Die dreischiffige Basilika von Qalb Lhoze gehört zu den besterhaltenen Sakralbauten und gilt als schönstes Beispiel einer Arkadenbasilika.

Das bedeutendste Bauwerk im Kalksteinmassiv ist das Simeonskloster. Zentrum der Anlage ist eine Säule, auf welcher der Asket Simeon die letzten dreissig Jahre seines Lebens verbracht hatte. Er war als junger Mann in das Kloster des Eusebonas eingetreten und hatte sich schon früh einer radikalen Askese unterworfen. Er fastete in übertriebenem Masse und  fügte seinem Körper schwere Wunden zu. Schliesslich verliess er das Kloster und bestieg eine Säule, da er glaubte, auf der Plattform der Säule  Gott näher zu sein. Die Säule symbolisiert für Simeon den Aufstieg zu Gott – die Plattform markierte den Himmel.  Auch auf der Säule   unterzog er sich jährlich einer vierzigtägigen Fastenzeit, die ihn regelmässig an den Rand des Todes brachte, bis er 459 völlig ausgemergelt starb. Simeon galt schon zu Lebzeiten als wundertätig und nach seinem Tode wurde er als Heiliger verehrt. Um die Säule, die nach seinem Tod zu einem Pilgerort wurde und von der heute nur noch ein Stumpf vorhanden ist, wurden kreuzförmig vier Säulenbasiliken, eine Klosteranlage und ein Baptisterium gebaut.