Syrien – vor dem Bürgerkrieg

Syrien – vor dem Bürgerkrieg

Kurzer geschichtlicher Überblick 

Frühzeit und Mittelalter  

Neuzeit  

Das Regime Hafiz al-Assad  

Baschar al-Assad und der Bürgerkrieg

 

Frühzeit und Mittelalter

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war Syrien Teil des riesigen Osmanischen Reiches gewesen. Seine heutigen Grenzen hatte das Land nach dem Ersten Weltkrieg erhalten, als das besiegte Osmanische Reich auseinandergebrochen war und die Siegermächte 1920 nach den Beschlüssen der Konferenz von San Remo das Reich aufteilten: das Gebiet des heutigen Syrien wurde französisches Mandatsgebiet und das des ehemaligen Mesopotamien – heute der Irak – wurde britisches Mandatsgebiet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das französische Mandatsgebiet zum unabhängigen Staat „Syrische Republik“ (1946).

Die historischen Grenzen Syriens reichten jedoch weit über die Grenzen des modernen Staates hinaus und umfassten ehemals das gesamte westliche Gebiet des so genannten „Fruchtbaren Halbmondes“ bis zur Mittelmeerküste (Palästina, Assyrien, Mesopotamien). Im Laufe der Jahrtausende waren in diesem Gebiet bedeutende Reiche gegründet worden, Hochkulturen waren entstanden, die grossartige kulturelle Leistungen hervorgebracht und diesen geographischen Raum geprägt hatten.

Die früheste Besiedlung im Raum zwischen Palästina bis zum Tigris („Fruchtbarer Halbmond“) konnte für die Zeit ab dem 10. Jt. nachgewiesen werden. Die Menschen des Paläolithikums und Mesolithikums waren nichtsesshafte Jäger und Sammler. Im 9./8. Jt. v. Chr. vollzog sich in diesem Raum eine Wandlung, die mit dem Begriff „Neolithische Revolution“ bezeichnet wird: die Menschen wurden sesshaft, betrieben Ackerbau und gründeten feste Wohnsitze. Von diesem gesellschaftlichen Wandel war jedoch nur ein Teil der Bevölkerung betroffen: neben Sesshaften gab es nach wie vor Beduinen. Man unterscheidet das Akeramische und das Keramische Neolithikum. Syrien spielte im Keramischen Neolithikum eine führende Rolle, da die Erfindung der Töpferscheibe   die Herstellung von Keramik erlaubte. Durch den Anbau von Emmer und Dinkel war die Nahrungsversorgung gesichert, die Bevölkerung  wuchs. Erste Städte wurden gegründet: zunächst wurden die Dörfer durch Zäune gesichert, dann mit festen Mauern umschlossen. Syrien erlebt seine erste grosse Blütezeit: die Königreiche Mari und Ebla etablierten sich (altsyrische Zeit). Beide Reiche wurden von den Akkadern besiegt. Unterdessen waren die Küstenregionen erschlossen worden und Hafenstädte waren entstanden. Durch Handel wohlhabend geworden, waren diese Städte für die umliegenden Länder interessant geworden: Ägypter, Hethiter und Mesopotamien „schielten“ nach ihnen. Das Mitanni-Reich, im Gebiet zwischen Tigris und Orontes gelegen, machte den Hethitern und Assyrern das Leben schwer. Die Hethiter konnten Mitanni besiegen. In zahlreichen Auseinandersetzungen wurde um die Vorherrschaft in diesem Gebiet gerungen. Dem ganzen Spuk und auch der Blütezeit der verschiedenen Reiche   machte der Seevölkersturm um 1200 v. Chr. ein Ende. Bis heute weiss man nicht genau, woher diese Völker aus dem ägäischen Raum eigentlich stammten. Sie zerstörten auf ihren Kriegszügen alles, was ihnen in die Quere kam, Ramses III. konnte sie jedoch unter Aufbietung sämtlicher Kräfte stoppen. In der Bibel werden diese Stämme als Philister bezeichnet. Auf diesen Namen geht die Bezeichnung Palästina zurück, das Gebiet, wo sie sich schliesslich ansiedelten.

Im 5. Jh. v. Chr. annektierten die Perser die Region, die etwa dem heutigen Syrien entspricht. Zweihundert Jahre später eroberte Alexander der Grosse dieses Gebiet (332/331 v. Chr.) und 64 v. Chr. wurde Syrien römische Provinz. Nach der Teilung des Römischen Reiches im Jahre 395 fiel Syrien an Ostrom.

Nachdem sich die Lehre Mohammeds als neue Religion unter den zahlreichen Stämmen der arabischen Halbinsel durchgesetzt hatte, setzte die Ausbreitung des Islam ein. Aus der „Gemeinschaft der Muslime“ entwickelte sich ein neues Staatsgefüge, das islamische Reich. 661 begründete Muawiya, Abkömmling des syrischen Familienclans der Umayyaden, die Kalifen-Dynastie der Umayyaden als religiöse und politische Führungsmacht. Regierungssitz wurde Damaskus. 750 wurden die Umayyaden von den Abbasiden gestürzt, deren Dynastie-Begründer Abu al-Abbas war. Die Abbasiden verlegten ihren Regierungssitz jedoch nach Bagdad im heutigen Irak. Das Abbasiden-Reich brach zusammen, als die Mongolen 1258 Bagdad eroberten. Zeitgleich entstanden kleinere Fürstentümer, die nach der Vorherrschaft strebten und deren Dynastien sich bekämpften. Das Land zersplitterte und wurde geschwächt, so dass es den Kreuzrittern, die sich am Ende des 11. Jahrhunderts nach Palästina aufmachten, um die historischen Stätten der Christenheit dem muslimischen Machtbereich zu entreissen, nur geringen Widerstand entgegensetzen konnte. Im Ersten Kreuzzug, 1098-1099, eroberten die Kreuzfahrer das Gebiet der syrischen Mittelmeerküste. Fast zweihundert Jahre lang musste sich Syrien der Kreuzfahrer erwehren – 1291 wurden die letzten aus den Küstengebieten vertrieben.

Als die Mongolen 1260 unter der Führung ihres Khans Hülagü bis nach Damaskus vordrangen und die Stadt eroberten, zogen die in Ägypten herrschenden Mamluken nach Syrien und schlugen die Mongolen zurück. Die Mamluken waren eine Herrscherdynastie, die sich ausschliesslich aus ehemaligen türkischen Militärsklaven zusammensetzte und denen es gelungen war, nach dem Tod des Sultans Saladin und den anschliessenden dynastischen Thronstreitigkeiten die Macht in Ägypten zu erringen. Sie wurden nun die neuen Machthaber in Syrien, das von nun an bis zur Mitte des 16. Jahrhundert unter ihrer Herrschaft stand.

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Neuzeit

1516 eroberten die Osmanen das Mamluken-Reich. Syrien wurde dem Osmanischen Reich einverleibt und stand bis zu dessen Zusammenbruch nach dem Ersten Weltkrieg unter osmanischer Herrschaft. Erst im Zuge der politischen Neuordnung der Staaten im Nahen Osten nach dem Zweiten Weltkrieg konstituierte sich Syrien als selbständiger Staat.

Die Beziehungen Syriens sowie diejenigen der gesamten arabischen Nachbarstaaten waren von Anfang an zu dem im Jahre 1948 ebenfalls neu gegründeten Staat Israel von schweren Spannungen geprägt. In der Hoffnung, einen starken arabischen Staat zu schaffen und Israel dadurch zu schwächen, hatten sich 1958 Ägypten und die Syrische Republik zusammen geschlossen und die Vereinigte Arabische Republik, VAR, gegründet, wobei sich allerdings bald abzeichnete, dass Ägypten unter Führung von Gamal Abdel Nasser die Vorherrschaft innerhalb dieses Staatsgefüges inne hatte. Wirtschaftliche und politische Probleme führten schliesslich dazu, dass sich die Vereinigte Arabische Republik 1961 wieder auflöste und beide Staaten künftig wieder unabhängig voneinander existierten.

Als 1967 Gamal Abdel Nasser die Meerenge von Tiran für die israelische Schifffahrt sperren liess, führte dieser Akt zur militärischen Auseinandersetzung zwischen Israel und Ägypten, Jordanien sowie Syrien – der so genannte Sechs-Tage-Krieg brach aus, aus dem Israel als Sieger hervorging. Syrien musste die Golan-Höhen, einen für die Wasserversorgung   wichtigen Teil seines Staatsgebietes, an Israel abtreten. 

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Das Regime Hafiz al-Assad

Das Land hatte nicht nur aussenpolitisch eine schwere Niederlage erlitten, auch innenpolitisch war es äusserst zerrüttet. Anhänger der nationalistischen panarabischen Baath-Partei rangen mit Vertretern des Militärs um die Macht, es kam immer wieder zu Putschversuchen, Politiker wurden entmachtet und ins Gefängnis geworfen. Schliesslich gelang es Hafiz al-Assad, einem Luftwaffenoffizier im Rang eines Hauptmanns, der zeitweise selbst im Gefängnis gesessen hatte, seine politischen Gegner auszuschalten und sich 1971 zum Staatspräsidenten wählen zu lassen. Ausserdem wurde er Präsident der mächtigen Baath-Partei. Er gehörte dem militanten Flügel der Partei an. Nachdem er die Macht an sich gerissen hatte, stützte er sein Regime auf das Militär und den Geheimdienst. Gegen Oppositionelle ging er mit äusserster Brutalität vor. Zwar leitete er gewisse Reformen ein (Land- und Wirtschaftsreformen, Ausbau des Bildungs- und Gesundheitswesens), insgesamt regierte er das Land jedoch diktatorisch und betrieb einen ausgeprägten Personenkult. Während seiner Amtszeit war Syrien in mehrere kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt gewesen: 1973 im Jom Kippur-Krieg gegen Israel, im ersten Golfkrieg (1980-1988) hatte Syrien den Iran gegen den Irak unterstützt und im zweiten Golfkrieg (1990-1991) hatte Syrien für die Befreiung Kuweits gekämpft. Aufgrund seines diktatorischen Regimes konnte Hafiz al-Assad die politischen Verhältnisse in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts einigermassen stabilisieren.

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Baschar al-Assad und der Bürgerkrieg

Hafiz al-Assad starb im Jahre 2000. Sein Nachfolger wurde sein zweitjüngster Sohn Baschar al-Assad. Dieser hatte in London studiert und galt deshalb zunächst als liberaler als sein Vater. Aber schon bald nach seinem Regierungsantritt kam es zur Konfrontation zwischen politischen Gegnern des neuen Präsidenten und der Polizei – hunderte syrische Kurden wurden während der Auseinandersetzungen verhaftet oder getötet.

Das neue Regime sah sich mit den Interessen unterschiedlichster politischer, sozialer und religiöser Gruppen konfrontiert: die Bevölkerung Syriens setzt sich aus vielen verschiedenen Ethnien zusammen, die wiederum verschiedenen Religionsgemeinschaften angehören. Mehrheitlich besteht die Bevölkerung aus Arabern, die der sunnitischen Ausprägung des Islam angehören. Die grösste nichtarabische Bevölkerungsgruppe bilden die Kurden. Daneben existieren auch schiitische, christliche, alawitische und jesidische Minderheiten.

Im Zuge des Arabischen Frühlings kämpften politische Gegner von Baschar al-Assad für mehr Demokratie im Land und wollten dessen autoritäres Regime nicht länger akzeptieren. Assad liess demokratische Reformen jedoch nur in geringfügigem Masse zu. Wirtschaftliche Schwierigkeiten sowie die komplexe demografische Situation lieferten weiteren Konfliktstoff. Assad versprach zwar Reformen und erliess auch eine Amnestie, in deren Verlauf 4000 Menschen freikamen. Auch wurden die Machtbefugnisse der Baath-Partei beschnitten, im Gegenzug wurde Assad jedoch mit mehr Macht ausgestattet. Für die Regierungsgegner war dessen Bereitschaft, ihren Forderungen nur in einem bestimmten Rahmen nachzukommen, nicht ausreichend genug, und es formierte sich zunächst im Norden des Landes, wo hauptsächlich Kurden lebten, die Opposition. Es kam zu Demonstrationen, schliesslich zu Aufständen, und 2011 begannen die Aufständischen erstmals gegen Truppen der Regierung zu kämpfen. Den Aufständischen schloss sich die Freie Syrische Armee an, eine Truppe aus ehemaligen Soldaten der syrischen Armee, und zusammen kämpften sie gegen Assads Truppen – der Bürgerkrieg begann. Zunächst ein Zwei-Fronten-Krieg, eskalierte diese militärische Auseinandersetzung in kürzester Zeit zu einem Krieg in ungeahntem Ausmass und mit schrecklichen Folgen. Interessengruppen unterschiedlichster Provenienz verfolgen ihre Ziele brutal und rücksichtslos. Besonders verheerend wirkte sich das Eingreifen der Dschihadisten bzw. des Islamischen Staates in das Bürgerkriegsgeschehen aus. Hunderttausende verloren ihr Leben, Hunderttausende befinden sich entweder im Land oder ausserhalb des Landes auf der Flucht. Sie verloren ihr Hab und Gut und suchten und suchen immer noch in fremden Ländern Zuflucht. Täglich wird die Welt mit den schrecklichen Ereignissen konfrontiert. Die Bevölkerung muss Furchtbares erleiden und das ganze Land liegt in Trümmer. Rücksichtslos wurden Städte und auch Kunstdenkmäler zerstört, und manches ist unwiederbringlich verloren.

Sachmet publiziert auf ihrer Website eine Dokumentation über bedeutende historische Stätten und Kulturdenkmäler aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg, als sich Reisende noch relativ unbehelligt im Land bewegen konnten.

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